Erstaunlicherweise finden wir die frühesten aufgefundenen Schriften zum heute noch gebräuchlichen Lehmformverfahren erst spät von Christoph Sesselschreiber 1524, Vannoccio Biringuccio 1540 sowie Brunner etwa um 1550. Die deutschen Glockengießer fertigen noch heute prinzipiell nach diesen Verfahren.
Der Glockengießer benötigt zur Herstellung einer Glocke eine dreiteilige Form aus Lehm. Sie besteht aus
Um Kern und Modellglocke exakt formen zu können, muss er zunächst eine „Schablone" herstellen. Ihre genaue Berechnung ist abhängig von Nominal (Schlagton), Gewicht und Größe der Glocke. Dabei geht er auch heute noch von Erfahrungswerten aus, die bereits im Mittelalter bekannt waren. Auf dem Reißbrett zirkelt er den halben Längsschnitt, die "Rippe" (Glockenwandung oder Profil). Dazu setzt er Teile von verschiedenen Kreisumfängen aneinander und verbindet sie zu einer durchgehenden Linie. Er überträgt nun die aus alter Erfahrung entwickelten Berechnungen als Entwurfszeichnung auf ein Holzbrett und sägt zunächst die innere Begrenzungslinie der Rippe aus. Die entstandene Schnittfläche muss angeschrägt werden, damit der Lehm beim Formen möglichst genau abgestrichen werden kann. Die Schablone wird nun an die "Spindel" (Eisenstange) angeschraubt. Diese Spindel befestigt der Gießer in der Formerei drehbar an dem "Galgen" (Balkengerüst) so, dass das untere Ende genau auf den Mittelpunkt eines bereits gemauerten ringförmigen Formstandes (Sockels) zeigt. Innerhalb des Formstandes befindet sich ein Gasbrenner (veraltet: Steinkohle), der die Formen in verschiedenen Stadien beheizen und trocknen wird.
Die Spindel mit dem Schablonenbrett ist an einem Balken drehbar befestigt. Das untere Ende der Spindel befindet sich genau über dem Mittelpunkt des ringförmigen Formstandes, der einen Gasbrenner (Steinkohle) zum Beheizen und Trocknen der Lehmform enthält. Der Kern, der dem Inneren der Glocke entspricht, wird aus Lehmsteinen mit Lehmschichten (als Mörtel) aufgemauert. Das rohe Mauerwerk wird mit Lehm geglättet, indem die Schablone um ihre Spindel gedreht wird. Überflüssiger Lehm wird mit der Schablone abgestrichen, die Form wird also genau der Schablone angepasst.
Die Spindel mit der Schablone wurde am Galgen drehbar befestigt, die Kernform gemauert, und die Lehmschichten wurden mit der inneren Profillinie der Schablone geformt und anschließend getrocknet. Nun beginnt der Bau des zweiten Formteils, der Falschen Glocke oder Modellglocke. Sie muss in Umfang und Aussehen genau der zu gießenden späteren Bronzeglocke entsprechen. Der Former sägt das Schablonenbrett an der äußeren Profillinie aus und setzt es mit seiner Spindel wieder in den Formstand. Nach Auftragen einer dünnen Trennschicht aus Talg wird nun der Zwischenraum zwischen getalgtem Kern und Schablone mit Lehm ausgefüllt und geglättet. Auf die getrocknete und wiederum mit Talg überzogene Modellglocke setzt der Former die Inschriften und Verzierungen, die zuvor in der Wachsgießerei geschnitten und/oder gegossen wurden.
Vor der Herstellung des dritten Formteiles, des Mantels, entfernt der Former die Schablone und streicht aus freier Hand zunächst feinen, dann immer gröberen Lehm auf die Modellglocke. Die Dicke des Mantels ist ein Erfahrungswert, der nicht mit Schablonengenauigkeit gemessen wird. Der Mantel muss dem Druck standhalten, der von außen beim Einstampfen auf die Form einwirkt und von innen während des Gießens (Gießdruck). Zum Schluss wird die dreiteilige Form noch einmal beheizt, damit die Restfeuchte entweichen kann. Dabei schmelzen die Trenntalgschichten und die dekorativen Teile aus Wachs, die bereits einen Abdruck in der Mantelwand (vertieft und negativ) hinterlassen haben. Die drei Formteile können nun voneinander gelöst werden.
Die drei Formteile für die Glocke sind fertiggestellt und vollständig durchgetrocknet. Die Talgschichten, die zum Trennen der einzelnen Formteile dienten, sind durch die Hitze des Brennvorganges geschmolzen. Die Mantelform wird nun nach oben abgehoben, die Modellglocke ist sichtbar; sie soll entfernt werden, da sie den Raum der zu gießenden Glocke einnimmt. Die Oberfläche des Kernes und die Innenseite des Mantels erhalten einen Graphitüberzug, damit sich das Metall nach dem Guss besser vom Lehm löst.
Die Glockenform, die jetzt nur noch aus zwei Teilen - Kern und Mantel - besteht, kommt nun in die "Gießgrube oder Dammgrube" und wird "eingedämmt". Dazu wird "Dammerde" in die Grube gebracht und schichtweise mit Hand- oder Pressluftstampfern verfestigt. Das wird so lange wiederholt, bis alle Formen vollständig in der Dammerde eingebettet sind, so dass nur noch die "Windpfeifen" und das "Eingussloch" zu sehen sind. Durch zu den einzelnen Glockenformen gelegte Rinnen oder hierfür extra gemauerte Kanäle wird das Gussmetall aus dem Ofen fließend zu den einzelnen Formen gelenkt. Diese "Glockenspeise" besteht aus 78-80 Prozent Kupfer und 20-22 Prozent Zinn, bei einer Legierungstoleranz von max. 2 Prozent, davon max. 1 Prozent Blei ("Legierung" ist eine Mischung aus Metallen).
Nach mehreren Tagen Abkühlzeit - je nach Größe der Glocken - werden diese aus der Grube ausgegraben, von Mantel und Kern befreit und angeschlagen. Sind Teiltöne nicht in Harmonie, können sie durch vorsichtiges Ausschleifen an der Innenwandung nachgestimmt werden. Dies geschieht an der Stelle der Innenwandung, an welcher der Teilton seinen Platz in der Glocke hat und spielt sich im Bereich von unter 1 mm ab. Erreichbar sind - ohne den Klang der Glocke zu verderben - nur wenige Sechzehntel eines Halbtones. Das Ideal ist die unkorrigierte Glocke. Gemessen werden die Teiltöne mit verstellbaren Stimmgabeln oder elektronischen Frequenzmessgeräten. Der Nominal (Schlagton) jedoch ist nicht messbar, nur subjektiv hörbar durch akustischen Vergleich mit einer präzise eingestellten Stimmgabel.